Rückkehr zu G9 an den Schulen geplant: Was auf die Schüler zukommt (2024)

Die Landesregierung will ein modernes neunjähriges Gymnasium konzipieren. Eine Einführung schon im kommenden Schuljahr hält der Ministerpräsident aber für schwer vorstellbar.

Baden-Württemberg will ein neues Modell für die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium erarbeiten. Das teilte das Staatsministerium am Dienstag in Stuttgart mit. Demnach ist die Landesregierung "offen für ein neues G9", das den Anforderungen unserer Zeit gerecht werde. Man starte einen Prozess zur Erarbeitung eines solchen neuen G8/G9-Modells, hieß es.

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Neues Modell für G9: Konkrete Vorschläge für neues Konzept

Das Kultusministerium müsse jetzt konkrete Vorschläge für ein Konzept dazu machen, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). "Wir werden uns im Januar dazu treffen und das beraten." Zuvor hatte die Regierung bereits erklärt, das Modell müsse auch mögliche Auswirkungen auf die anderen weiterführenden Schularten und das schulische Gesamtsystem berücksichtigen.

Eine Umstellung auf eine neue Form des neunjährigen Gymnasiums wird Zeit brauchen: Kretschmann sagte, er halte es für sehr schwer vorstellbar, dass das bereits für das kommende Schuljahr möglich sei. Einen Zeitraum für die Reform könne er nicht nennen, so Kretschmann weiter. Dabei komme es auch auf die Ressourcen an, sagte der Grünen-Politiker.

Dass das schon zum nächsten Schuljahr kommt, halte ich für so gut wie ausgeschlossen.

Kretschmann: Keine Schnellschüsse zu G9

Bereits am Vormittag hatte Kretschmann gesagt, die Landesregierung werde "jetzt keine Schnellschüsse machen oder einfach zum G9 der 1990er-Jahre zurückkehren". Man wolle die Empfehlungen des Bürgerforums aufgreifen, das am Montag ein "neues G9" als künftigen Regelfall für die Gymnasien im Land empfohlen hatte.

Kretschmann zufolge muss die Regierung aber auch die finanziellen Auswirkungen einer solchen Reform sehr genau im Blick haben. "Dieser Aspekt ist mir sehr wichtig, weil sie ebenso die Zukunft unserer Kinder betrifft. Gute Bildungspolitik ist abhängig von einer weitsichtigen Finanzpolitik", sagte der Regierungschef. Er begrüßte die Empfehlung des Bürgerforums grundsätzlich, doch dessen Forderungen seien "schon ein bisschen eine eierlegende Wollmilchsau".

Opposition kritisiert Zögern - Städtetag fordert finanzielle Unterstützung

Die Opposition kann die Haltung des Regierungschefs nicht nachvollziehen. "Keinem Menschen kann erklärt werden, wieso der Ministerpräsident Winfried Kretschmann immer noch verzögert und die Sache auf die lange Bank zu schieben gedenkt", sagt etwa der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Timm Kern. Die Umsetzung sei herausfordernd, andere Bundesländer hätten sie aber längst gemeistert. Die AfD spricht von "Hinhaltetaktik". SPD-Fraktionschef Andreas Stoch sagte dem SWR, der Grünen-Regierungschef müsse seinen Widerstand gegen das neunjährige Gymnasium aufgeben und nicht mit fehlenden Ressourcen argumentieren.

Der Städtetag Baden-Württemberg warnte vor den Folgen für andere Schularten, sollte Baden-Württemberg zum neunjährigen Gymnasium zurückkehren. Derzeit gingen fast 25 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit Gymnasialempfehlung auf die Realschule, viele von ihnen würden künftig eher G9 wählen. Auch die Kapazitäten an den Gymnasien könnten aus Sicht des Kommunalverbands an Grenzen stoßen. Der Städtetags-Geschäftsführer Ralf Broß verwies in diesem Zusammenhang auf Bayern, das den Kommunen 2017 bei der Rückkehr zu G9 500 Millionen Euro für erforderliche Investitionen zugesagt habe. Ein solch klares Bekenntnis erwarte er auch von der baden-württembergischen Landesregierung.

Bürgerforum für ganzheitliche Schulreform in BW

Das Bürgerforum aus 55 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern war von der Landesregierung einberufen worden. Nach dem Willen des Gremiums soll pro Landkreis mindestens ein Gymnasium auch noch einen G8-Zug anbieten. Zugleich sprach sich das Forum für eine "ganzheitliche, schulartübergreifende Schulreform" aus.

Grüne: Stärkung der Grundschulen hat "allerhöchste Priorität"

Der Fraktionschef der Grünen im Landtag, Andreas Schwarz, betonte, neben der Frage nach der Dauer des Gymnasiums sei auch eine moderne Pädagogik wichtig. Seine Fraktion wolle dem sogenannten MINT-Bereich, also dem Unterricht in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, einen Schub geben. Zudem sei eine Stärkung der Medienbildung notwendig.

"Allerhöchste Priorität" habe für die Grünen die Stärkung der Grundschulen und der frühkindlichen Bildung, fügte Schwarz hinzu. "Hier dürfen wir keine Zeit verlieren, das wollen wir schnell umsetzen." Im Beschluss der Koalition heißt es: "Die prioritäre bildungspolitische Aufgabe sieht die Regierungskoalition in der Stärkung der Sprachbildung und -förderung sowie der Basiskompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen." Man werde dafür ein Maßnahmenpaket für den Zeitraum vor der Einschulung und in der Grundschule vorlegen.

CDU-Partei- und Fraktionschef Manuel Hagel hatte bereits am Montag eine Überarbeitung des gesamten Schulsystems gefordert. "Wir brauchen für unser Bildungssystem ein ganzheitliches Update", sagte Hagel. Auch amDienstag betonte er: "Wir brauchen einen Zukunftsentwurf, der von den Kindergärten und Kindertageseinrichtungen über die Grundschulen bis zu den weiterführenden Schulen reicht."

Die Bildungsgewerkschaft GEW begrüßte die Empfehlung des Bürgerforums. "Die Vorschläge des Bürgerforums für eine ganzheitliche Debatte zur Reform des Bildungssystems sind richtig", sagte die Landesvorsitzende der GEW, Monika Stein. "Das ist eine Voraussetzung, um Chancengleichheit und mehr Bildungsgerechtigkeit zu ermöglichen." Stein verwies darauf, dass das Bildungswesen strukturell unterfinanziert sei, und forderte einen höheren Bildungsetat. Um die nötigen Reformen umsetzen zu können, müsse die Schuldenbremse aufgehoben werden.

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Landtag muss sich mit Volksantrag zu G9 befassen

Mit seinem Votum hat das Bürgerforum die Debatte weiter angeheizt, nachdem bereits eine Elterninitiative, die die Rückkehr zu G9 erzwingen will, einen entsprechenden Volksantrag erfolgreich auf den Weg gebracht hatte. Die Initiatoren hatten mehr als 100.000 Unterschriften gesammelt - deutlich mehr als die nötigen rund 39.000 - und an den Landtag übergeben, der sich damit nun voraussichtlich im kommenden Jahr befassen muss.

Ministerpräsident Kretschmann ist persönlich dagegen, das neunjährige Gymnasium wieder zum Normalfall zu machen. Er hatte kürzlich aber bereits eingeräumt, man könne "nicht gegen den Volkswillen auf Dauer regieren".

Kretschmann hatte nach der Übergabe der Unterschriften eine zeitnahe Rückkehr zu G9 als nicht realistisch bezeichnet. "Was auch immer wir zu G8/G9 beschließen - ob das überhaupt noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt wird, da möchte ich mal ein großes Fragezeichen dransetzen", sagte der Grünen-Politiker im November. Dabei verwies er auch auf die Kosten einer solchen Reform.

In Baden-Württemberg ist derzeit das achtjährige Gymnasium Standard. G9 gibt es noch als Modellprojekt an 44 staatlichen Schulen und an einigen Privatschulen. Auch an den beruflichen Gymnasien und Gemeinschaftsschulen kann das Abitur nach neun Jahren abgelegt werden.

Seit Langem wird über eine Rückkehr zu G9 diskutiert. G8 war in Baden-Württemberg in den 2000er-Jahren eingeführt worden, um die Schüler international wettbewerbsfähiger zu machen.

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